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Innerhalb der SPD werden die Forderungen nach einem Bekenntnis zu einem umfassenden Energiepreisdeckel lauter – und zwar noch vor der Niedersachsen-Wahl im Oktober.
Vergangenes Wochenende in München: In einem Hotel im Norden der Stadt, im Freisinger Hof, treffen sich ein paar Dutzend Abgeordnete der SPD-Bundestagsfraktion. Sie gehören dem Seeheimer Kreis an, dem konservativen Flügel. Sie bilden neben den Parteilinken die zweite Hauptströmung. Es sind die vehementesten Olaf-Scholz-Unterstützer im Parlament, sein Fanklub, wenn man so will.
Die Seeheimer nennen ihren Ansatz gerne pragmatisch, agieren in der Regel geräuschlos und unaufgeregt. Bei der zweitägigen Klausurtagung geht es um innere und äußere Sicherheit. Der Krieg in der Ukraine hat die Lage in der Welt verändert. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind aufgewühlt, aber nicht nur wegen des Krieges, sondern auch wegen der Folgen.
In ihren Wahlkreisen präsentieren ihnen die Bürger ihre Energierechnungen: Abschlagszahlungen, die plötzlich um ein Mehrfaches gestiegen sind, teils absurd hohe Summen. „Da brennt die Hütte“, sagt einer der Seeheimer. Es dauert nicht lange, bis sich diese Anspannung auch bei der Klausurtagung entlädt.
Das passiert dann – so berichten es übereinstimmend mehrere Teilnehmer der SZ -, als Wolfgang Schmidt, Kanzleramtschef und engster Vertrauter von Scholz, den Abgeordneten zugeschaltet wird. Es geht um den Umgang mit der Krise. Das Kanzleramt verweist auf die nunmehr drei Entlastungspakete mit einem Gesamtvolumen von knapp 100 Milliarden Euro, die die Ampel auf den Weg gebracht hat. Aber der Runde in München, vielen der Seeheimer, reicht das nicht. Sie würden ihren Anhängern in den Wahlkreisen gerne versichern, dass der Energiepreisdeckel kommt, quasi die Bürger nur für einen Teil der gestiegenen Kosten aufkommen müssen.
Beim Strom nimmt ein Konzept dafür bereits Konturen an, beim Gas, bei den Heizkosten, sieht das anders aus. Da haben sich die Ampelpartner nur darauf verständigt, eine Expertengruppe einzusetzen. Beim Gaspreisdeckel, sollte so etwas in der Art kommen, müsste der Staat wohl mit Milliarden Euro einspringen. Das wiederum könnte dazu führen, dass Finanzminister Christian Lindner von der FDP die Schuldenbremse nicht einhalten kann und eines seiner zentralen Versprechen aufgeben müsste.
Will das Kanzleramt erst die Landtagswahl abwarten?
Am 9. Oktober wählen die Niedersachsen einen neuen Landtag. Die FDP steht in Umfragen bei sechs, mal sieben Prozent. Es würde wohl nicht ohne Folgen bleiben für die Wahl, wenn Lindner seine Politik korrigieren müsste. Nimmt das Kanzleramt womöglich Rücksicht auf eine Landtagswahl und kommt deshalb nicht früher zu weiter reichenden Entscheidungen? Genau diesen Eindruck haben mehrere Teilnehmer bei den Ausführungen von Schmidt.
Sie bestätigen übereinstimmend, dass das Kanzleramt auch die Wahl im Blick habe und die Lage der FDP. Scholz und Schmidt gehe es darum, in dieser schwierigen Lage die Koalition zusammenzuhalten. Niemandem sei damit geholfen, wenn der Laden auseinanderfliege – das sei sinngemäß Schmidts Botschaft gewesen. Und: Mit weitergehenden Ankündigungen sei vorerst nicht zu rechnen. Schmidt sagte auf SZ-Nachfrage, dass er sich zu internen Sitzungen nicht äußere.
Die Stimmungslage wird von Teilnehmern als „hitzig“ beschrieben. Holger Becker ist Abgeordneter aus Jena, er hat selbst ein Unternehmen gegründet. Er kennt die Lage. Die von ihm mitgegründete Firma beispielsweise solle statt bislang 20 000 Euro für Strom im Monat künftig 100 000 Euro als Abschlag bezahlen. Solche Anstiege stellten Unternehmen vor existenzielle Schwierigkeiten. Bürger sähen, wie sich „eine Welle“ vor ihnen auftürme, „und haben keine Ahnung, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen“
Ginge es nach Becker, müsste sich Scholz jetzt hinstellen und „ein sofortiges Bekenntnis zum Energiepreisdeckel bei Strom und Gas“ ablegen. „Ein Bekenntnis, das Sicherheit gibt.“ Er und andere Abgeordnete denken dabei an den Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), als sie in der Bankenkrise 2008 den beunruhigten Bürgern versicherten, dass ihr Erspartes sicher sei. „Was wir jetzt brauchen, ist eine Whatever-it-takes-Rede des Kanzlers“, sagt Becker. Wahltermine dürften dabei „keine Rolle spielen“. Schmidt, heißt es, habe in München richtig Gegenwind zu spüren bekommen.
Die Debatte hat mittlerweile die gesamte Fraktion erfasst, die am Dienstag zusammenkam. „Auch wenn die Details und die Umsetzung eines Gaspreisdeckels noch in der eingerichteten Expertenkommission geklärt werden, schon jetzt müssen sich die Bundesregierung und der Wirtschaftsminister zu einem Gaspreisdeckel bekennen“, sagt Jessica Rosenthal der SZ, die Juso-Chefin, die in der Fraktion dem linken Flügel angehört. Die parlamentarische Geschäftsführerin Katja Mast sagte am Mittwoch: „Wir brauchen schnell eine Lösung.“
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